Die Lulu-Katastrophe
„Wenn ich bloß in die Welt hinaus könnte“
Manche Besucher der Deutschen Oper halten sich mit großen Augen die Hand vor den erschrocken geöffneten Mund, trauen ihren Ohren nicht. Dabei steht mit der Wiederaufnahme einer 23 Jahre alten Inszenierung der Oper „Lulu“ eine unspektakuläre Rückschau des 20. Jahrhunderts auf dem Programm. Götz Friedrich war von 1981 bis zu seinem Tod 2001 hier Generalintendant und brachte die vervollständigte Fassung der „Lulu“, über deren letzten Akt Komponist Alban Berg gestorben war, nach West-Berlin.
Die Besetzung der namensgebenden Hauptrolle mit Alexandra von der Weth versprach nun eine Wiederholung des einstigen Erfolgs. Die Sopranistin mit dem Glasauge wird seit Ende der 90er in den großen dramatischen Rollen gefeiert und ist Expertin für das erotische Verderben geworden. Als laszive Musetta („La Bohème“) hat sie ebenso brilliert wie bereits als zügellose Lulu selbst. Und so war man auf eine beschauliche Aufarbeitung bereits geschlagener Schlachten eingerichtet.
Doch was dann am Montag Abend auf der Bühne geschieht ist nur dem verständlich, der weiß, dass von der Weth seit letztem Sommer mit Stimmproblemen kämpft. Ihr fehlt jede Durchschlagskraft. Ihre Artikulation schafft es kaum über den Graben in dem Ulf Schirmer das Orchester gnadenlos kräftig spielen lässt. Die Koloraturen verschwimmen. Im zweiten Akt wird klar, dass heute nicht Alexandra von der Weth versagt, sondern ihr Stimmapparat. Diese jaulende und krächzende Lulu hat keine erotische Ausstrahlung. Ihre Liebhaber sind heute nicht dem weiblichen Verführungsgeschick, sondern ihren eigenen Projektionen verfallen. Sie zerschellen an Lulu wie an einer Klippe. Will Hartmann als leidenschaftlicher Maler singt ebenso verzweifelnd wie Iris Vermillion als lesbische Gräfin Geschwitz tragisch. Heldentenor Robert Künzli bringt als Alwa mit viel Pomade und metallisch verkniffener Stimme die Wahnvorstellung ritterlicher Gesinnung treffend zum Ausdruck. Am komplexesten geht Alwas Vater Dr. Schön zugrunde: Bariton Franz Grundheber versteht es meisterlich die Bestimmtheit von Lulus Langzeitgeliebtem als Selbstschutz auszulegen. Auf dem Zenit seiner Tragödie, als der Doktor sein Schicksal wissentlich besiegelt und Lulu heiratet, eröffnet er uns sein Dilemma: „Wenn ich bloß in die Welt hinaus könnte“.
Dieser Satz wird leider zum Paradigma des Abends. Was auf der Bühne inszeniert werden soll, geschieht real. Das Bühnenbild – reichhaltige Collagen aus den Schauplätzen, dem Universum Alban Bergs sowie der Rahmenhandlung einer Zirkusmanege, - werden zur bizarren Kulisse des Untergangs nicht der Lulu, sondern der Sängerin. Aus dem irritierten Publikum sind nach der zweiten Pause bereits viele „in die Welt hinaus“.
Wünscht sich auch von der Weth an einen anderen Ort? Unverständlich, dass sie diesen Auftritt nicht, wie kürzlich oft geschehen, absagte. Dass die Abendleitung eine Sängerin in dieser Verfassung durch eine der schwersten aller Opernpartien schickt, ist eine Unverschämtheit dem Publikum gegenüber.
Manche Besucher der Deutschen Oper halten sich mit großen Augen die Hand vor den erschrocken geöffneten Mund, trauen ihren Ohren nicht. Dabei steht mit der Wiederaufnahme einer 23 Jahre alten Inszenierung der Oper „Lulu“ eine unspektakuläre Rückschau des 20. Jahrhunderts auf dem Programm. Götz Friedrich war von 1981 bis zu seinem Tod 2001 hier Generalintendant und brachte die vervollständigte Fassung der „Lulu“, über deren letzten Akt Komponist Alban Berg gestorben war, nach West-Berlin.
Die Besetzung der namensgebenden Hauptrolle mit Alexandra von der Weth versprach nun eine Wiederholung des einstigen Erfolgs. Die Sopranistin mit dem Glasauge wird seit Ende der 90er in den großen dramatischen Rollen gefeiert und ist Expertin für das erotische Verderben geworden. Als laszive Musetta („La Bohème“) hat sie ebenso brilliert wie bereits als zügellose Lulu selbst. Und so war man auf eine beschauliche Aufarbeitung bereits geschlagener Schlachten eingerichtet.
Doch was dann am Montag Abend auf der Bühne geschieht ist nur dem verständlich, der weiß, dass von der Weth seit letztem Sommer mit Stimmproblemen kämpft. Ihr fehlt jede Durchschlagskraft. Ihre Artikulation schafft es kaum über den Graben in dem Ulf Schirmer das Orchester gnadenlos kräftig spielen lässt. Die Koloraturen verschwimmen. Im zweiten Akt wird klar, dass heute nicht Alexandra von der Weth versagt, sondern ihr Stimmapparat. Diese jaulende und krächzende Lulu hat keine erotische Ausstrahlung. Ihre Liebhaber sind heute nicht dem weiblichen Verführungsgeschick, sondern ihren eigenen Projektionen verfallen. Sie zerschellen an Lulu wie an einer Klippe. Will Hartmann als leidenschaftlicher Maler singt ebenso verzweifelnd wie Iris Vermillion als lesbische Gräfin Geschwitz tragisch. Heldentenor Robert Künzli bringt als Alwa mit viel Pomade und metallisch verkniffener Stimme die Wahnvorstellung ritterlicher Gesinnung treffend zum Ausdruck. Am komplexesten geht Alwas Vater Dr. Schön zugrunde: Bariton Franz Grundheber versteht es meisterlich die Bestimmtheit von Lulus Langzeitgeliebtem als Selbstschutz auszulegen. Auf dem Zenit seiner Tragödie, als der Doktor sein Schicksal wissentlich besiegelt und Lulu heiratet, eröffnet er uns sein Dilemma: „Wenn ich bloß in die Welt hinaus könnte“.
Dieser Satz wird leider zum Paradigma des Abends. Was auf der Bühne inszeniert werden soll, geschieht real. Das Bühnenbild – reichhaltige Collagen aus den Schauplätzen, dem Universum Alban Bergs sowie der Rahmenhandlung einer Zirkusmanege, - werden zur bizarren Kulisse des Untergangs nicht der Lulu, sondern der Sängerin. Aus dem irritierten Publikum sind nach der zweiten Pause bereits viele „in die Welt hinaus“.
Wünscht sich auch von der Weth an einen anderen Ort? Unverständlich, dass sie diesen Auftritt nicht, wie kürzlich oft geschehen, absagte. Dass die Abendleitung eine Sängerin in dieser Verfassung durch eine der schwersten aller Opernpartien schickt, ist eine Unverschämtheit dem Publikum gegenüber.
paulbraeuer - 12. Aug, 12:56
Und Krise hin oder her; welcher große Sänger hat dies nicht durchgemacht!? Ich kenne die Stimme von Frau von der Weth seit Jahren, und kann einfach nur sagen: Sie ist wieder da, schöner und stärker denn je!
Danke Frau von der Weth!